GHOSTWRITER, PLAGIATE UND URHEBERRECHTSVERLETZUNGEN

GHOSTWRITER, PLAGIATE UND URHEBERRECHTSVERLETZUNGEN

Im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion um die Bücher, die für Politiker geschrieben werden, ist es mir ein Anliegen, darüber zu informieren, wie ein Ghostwriter arbeitet, wann ein Plagiat ein Plagiat ist und wann eine Urheberrechtsverletzung vorliegt. Die Vorwürfe gegen Annalena Bärbock und ihren Ghostwriter, Texte aus anderen Büchern und Quellen ungefragt übernommen und so Urheberrechtsverletzungen begangen zu haben, werden zur Stunde immer lauter und werfen ein schlechtes Licht auf eine Zunft, über die viele ohnehin schon kaum etwas wissen.

Kunden beauftragen mich, weil sie wenig Zeit haben, nicht viel Übung im Schreiben oder weil sie es einfach einem Profi überlassen möchten, ihre Gedanken zu sortieren und elegant zu formulieren. Ich ergänze das, was sie mir in Interviews erzählen, durch eine umfangreiche Recherche zum aktuellen Sachstand eines Themas, den ich in dem Buch entsprechend referiere und mit dem ich die Aussagen meines Auftraggebers/meiner Auftraggeberin untermauere. Von dieser Zusammenarbeit erfährt zumeist nicht einmal der Verlag etwas. Das hat viele Gründe, mir sind sie gleich, denn ich arbeite für meinen Auftraggeber und für dessen zukünftige Leser.

Dabei können sich meine Kunden immer darauf verlassen, dass ich keine Texte kopiere und einfüge. Das sollte für einen seriösen Ghostwriter eigentlich selbstverständlich sein.

Ganz gleich, ob es sich um ein politisches Sachbuch, ein Meinungsbuch, eine Biografie oder einen historischen Roman handelt, Recherche ist wichtig und sollte sorgfältig betrieben werden. Da geht es zum einen um die Verantwortung, die ich als Ghostwriter für meinen Auftraggeber habe, dessen Name später auf dem Buchcover steht, aber auch um die Verantwortung für den Leser, der sich über ein bestimmtes Thema informieren möchte und mit den Fakten möglicherweise arbeitet, aber auch um Aspekte, an die man im ersten Moment möglicherweise gar nicht denkt, wie Persönlichkeitsrechte Dritter, emotionale und biografische Zusammenhänge, schlicht, um Respekt und Anstand.

Ob es nun Blogger sind, die mit Herzblut und Idealismus Informationen zusammentragen und Texte schreiben oder Wissenschaftler, die ihr Leben einem Thema widmen oder andere Autoren, die viele Stunden auf das Schreiben eines für den Leser ansprechenden Buchs verwendet haben, sie alle haben Zeit und Engagement in ihre Werke investiert und es gebietet der Respekt, das entsprechend zu achten und sich an ihren Texten nicht einfach zu bedienen, egal, ob das nun “erlaubt” ist oder nicht. Die Frage, die hier gestellt werden muss, ist, ob es moralisch richtig ist – und das ist es aus meiner Sicht nicht.

Photo by Susan Q Yin on Unsplash

Wie recherchiert ein Ghostwriter?

Wenn ich als Ghostwriter für ein politisches Sachbuch, ein Meinungsbuch oder eine Biografie tätig werde, dann begebe ich mich erst einmal tief in die Recherche. Ich lese, was andere zu dem Thema geschrieben habe, studiere Studien, Forschungsergebnisse, kurz den aktuellen Stand der Wissenschaft und der Diskussion. Faktengenauigkeit hat da allerhöchste Relevanz. Diese Recherche kann mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Nicht alles, was ich da recherchiere, kommt später in das Buch, aber es hilft mir, mich mit dem Thema vertraut zu machen, und “sattelfest” zu werden.

Ich gehe bei dieser Recherche von wissenschaftlichen Standards aus. Das heißt, ich benutze vor allem wissenschaftliche Quellen und sortiere und organisiere diese auch entsprechend.

Aus dieser Recherche entwickele ich in Absprache mit meinem Kunden einen roten Faden und formuliere eigene Aussagen. Wo diese Aussagen auf den Aussagen Dritter aufbauen, erwähne ich diese Dritte oder gebe sie konkret in Fußnoten an, je nachdem, wie das Buch aufgestellt ist und was der Verlag verlangt.

Wenn ich einen schönen Gedanken oder Hinweis finde, entwickele ich ihn entweder weiter, versehe ihn mit eigenen Beispielen oder nenne schlicht den Schöpfer dieses Gedanken. Was ich NICHT mache: Ich übernehme den Gedanken nicht und gebe ihn als den meines Auftraggebers aus. Nicht, weil das (auch) rechtlich schwierig ist, sondern weil es sich einfach nicht gehört und meinen Auftraggeber später in ein schlechtes Licht rücken könnte.

Was ist ein Plagiat?

Ein Plagiat ist, ganz platt ausgedrückt, der Diebstahl geistigen Eigentums. Für mich beginnt das schon bei der Übernahme einer Formulierung. Als Wortschmiedin weiß ich, dass man manchmal eine ganze Weile an einem Satz oder Absatz herumfeilt, und wenn er dann gelingt, ist man stolz. Es gehört sich nicht, von anderen Quellen zu klauen und das einfach als die eigene Wortkunst auszugeben, das nennt man dann wohl “sich mit fremden Federn schmücken”.

Bei einem Impulsbuch, einem Meinungsbuch und auch bei den meisten Sachbüchern wird nicht mit Fußnoten gearbeitet, das heißt, Quellen müssen nicht angegeben werden. Bei Fachbüchern ist das schon wieder etwas anderes, da müssen Aussagen immer belegt werden und für wissenschaftliche Arbeiten gilt das ohnehin.

Rechtlich entscheidend für eine Urheberrechtsverletzung ist eine gewisse Schöpfungshöhe. Das heißt, das, was da geklaut wird, muss einen gewissen Anspruch an künstlerischem Wert erfüllen. Das ist bei einer reinen Aufzählung von Fakten, ganz gleich, wie hübsch diese formuliert ist, selten gegeben.

Etwas ganz anderes ist es, wenn ganze Passagen aus anderen Büchern, die subjektiv formuliert wurden, bei denen also ganz klar eine gewisse Kreativität und Originalität vorliegt, wortgenau oder mit nur geringfügigen Änderungen übernommen werden. Dann handelt es sich ganz eindeutig um eine Urheberrechtsverletzung, die mehrere Konsequenzen hat: Zum einen gibt es meistens jemand, der die Verwertungsrechte innehat, also einen Verlag, und zum anderen einen Urheber, und beide können jetzt Forderungen geltend machen.

Doch, wie man an der aktuellen Diskussion sehen kann, kommt es gar nicht auf eine rechtliche Konsequenz an, um an so einem Vorgehen Schaden zu nehmen. Wer sich mit einem Buch der Öffentlichkeit präsentiert, muss Fakten ordentlich recherchiert und eigene Gedanken formuliert haben, das ist der Mindestanspruch, den Leserschaft und Öffentlichkeit zu Recht erwarten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein Ghostwriter die Ausarbeitung und Formulierung dieser Gedanken für mich übernommen hat, sondern ob dabei Sorgfalt an den Tag gelegt wurde. Wenn ich selbst dafür keine Zeit habe, ist es vollkommen legitim, jemand anderen dafür zu bezahlen, schließlich leben wir in einer Dienstleistungsgesellschaft. Auftraggeber sollten aber darauf achten, dass ein Ausschluss von Plagiaten Teil der Vereinbarung in der Zusammenarbeit mit einem Ghostwriter ist. So sichern sie sich zumindest rechtlich ab und das baut einen gewissen Druck auf den Ghostwriter auf, auch wirklich sorgfältig zu arbeiten. Ich finde es bedauerlich, dass es überhaupt notwendig ist, solche eigentlich selbstverständlichen Regelungen in die Vereinbarung mitaufzunehmen, doch wie die aktuelle Debatte zeigt, gibt es dafür offensichtlich genug Anlass.

Ein Auftraggeber, der mich bezahlt, damit ich sein Buch schreibe, bezahlt mich sowohl für eine anständige Recherche als auch dafür, dass ich eigene Formulierungen entlang seiner Meinung/Analyse finde. Selbstverständlich werfe auch ich mal die Suchmaschine an und recherchiere dort ein paar Zahlen und Fakten, doch ich bette diese immer in einen neuen Sinnzusammenhang ein, so dass nie, auch in Zukunft nicht, etwas auf meinen Auftraggeber zurückfallen kann. Das ist die Sorgfaltspflicht, die jeder Ghostwriter zu erfüllen hat.

Was mich an der aktuellen Debatte ärgert, ist, dass das Ansehen von Ghostwritern im Allgemeinen Schaden nimmt. Es wird der Anschein erweckt, als würde da eine ganze Zunft für viel Geld Texte im Netz und bei anderen Autoren klauen und die dann veröffentlichen. Ich weiß aber, dass die meisten meiner Kollegen und Kolleginnen wie ich auch mit allergrößter Sorgfalt vorgehen und gerade so nicht arbeiten. Schließlich leben auch Ghostwriter von ihrem Ruf und möchten gerne weiter empfohlen werden.