EINE FRAGE DES STILS

EINE FRAGE DES STILS

Beim Schreiben kommt es nicht nur auf den Inhalt an, sondern auch auf den Stil. Die meisten Schriftsteller entwickeln irgendwann einen eigenen, unverwechselbaren Stil, für den ihre Leser sie lieben und an dem sie auch sofort wieder erkannt werden können.

Als Ghostwriter muss man die Kunst beherrschen, für jeden Kunden einen eigenen Stil zu finden, der zu ihm oder ihr passt. Aber was genau ist eigentlich Stil und woran erkennt man diesen unverwechselbaren “Sound” eines Autoren oder einer Autorin?

Stile gibt es so viele, wie es Menschen gibt. Jeder von uns hat eine ganz eigene, einzigartige Art, sich auszudrücken. Wir benutzen bestimmte Worte und Redewendungen, viele von uns machen sogar immer wieder die gleichen Fehler. Unser Sprachstil spiegelt wieder, wo wir aufgewachsen sind, welche Herkunft und Alter wir haben, oft auch welches Geschlecht, zu welchem Milieu wir gehören und welche Ausbildung wir genossen haben. Häufig finden sich sogar widersprüchliche Informationsschnipsel in der Weise, mit der wir mit der Welt kommunizieren. Einige Dinge haben wir in unserer Kindheit erworben, anderer erst später, ein paar Sachen unterdrücken wir vielleicht bewusst und heben andere hervor, so dass wir uns anders anhören, wenn wir wütend sind, als wenn wir ein geschäftliches Telefonat führen.

So ähnlich ist es auch beim Schreiben, nur haben wir hier viel mehr Raum, um unsere Sätze und sprachlichen Bilder gut zu formulieren. Manche Autoren werden für ihren knappen, fast schon abgehackten Stil geliebt. Da wird dann mit vielen unvollständigen Kommasätzen gearbeitet, was der Geschichte etwas Atemloses und Temporeiches verleiht.

Andere Schriftstellerinnen werden für ihren blumigen und ausschweifenden Schreibstil geschätzt. Manche legen viel Wert auf die innere Welt ihrer Figuren und lassen uns in inneren Dialogen an ihren Gefühlen und Gedanken teilhaben, andere wiederum sind sehr gut darin, mit Sinneseindrücken zu arbeiten – Gerüchen, Farben, Texturen. Dann gibt es solche, denen immer wieder wunderbare Metaphern und sprachliche Bilder gelingen und dann solche, die mit nur wenigen Impulsen ein Feuerwerk unserer Fantasie anzünden, in dem wir selbst die Geschichte in unserem Kopf ausschmücken.

Welchen Schreibstil wir mögen, das ist von Leser*in zu Leser*in unterschiedlich. Worauf es ankommt, ist, dass wir einen Schreibstil treffen, der zu unserem Genre passt. Fantasygeschichten sind generell detailreicher, damit diese Fantasiewelt auch wirklich in unserem Kopf entsteht. Krimis sind oft knapp und arbeiten mit vielen Brüchen, dem Ungesagten zwischen den Zeilen, damit der richtige “Thrill” sich in unseren Gedanken ausbreiten kann.

Eine Biografie ist sehr dicht dran am Autor, so dass wir seinen Sprachstil hier praktisch beim Lesen hören können. Eine gute Biografie ist wie eine Unterhaltung mit dem Biografierten. Als Ghostwriter kommt es darauf an, für jeden Kunden und für jedes Genre den passenden “Sound” zu entwickeln – ein Sound, in dem sich die Auftraggeber*innen wiederfinden und der die Leser mitreißt und in die Geschichte entführt.

Der Stil ergibt sich auch daraus, welche Perspektive wir wählen. Ein personaler Erzähler, der in der 3. Person schreibt, ist nicht so nah dran am Geschehen wie ein Ich-Erzähler, trotzdem können wir über innere Dialoge eine Menge erfahren über das, was in den Figuren vorgeht. Meistens folgt ein personaler Erzähler dann auch nur einer Person, der Hauptperson, durch die Geschichte. Es gibt auch Roman mit vielen Perspektivwechseln, aber diese muss man gut beherrschen, damit sie die Leser nicht vollends verwirren.

Ein unzuverlässiger Erzähler wird die Geschichte anders erzählen als ein neutraler Erzähler und der etwas angestaubte auktoriale Erzähler lässt uns an seinen Gedanken über die Geschichte teilhaben.

Letztlich kommt es auch darauf an, den Figuren selbst einen eigenen Stil zu geben. Je nachdem, wo und wann die Geschichte spielt, welchen Hintergrund die Figuren haben und was das Thema des Buchs ist, gilt es, jeder Figur eine eigene Ausdrucksform zu geben, an der sie wiederzuerkennen sind. Das kann eine bestimmte Formulierung oder sogar eine sprachliche Marotte sein, die jemand pflegt.

Die Frage des Stils wird gerade von vielen Anfängern im Bereich kreatives Schreiben oft unterschätzt, doch es lohnt sich, sich von Anfang an damit zu beschäftigen und andere Bücher aus dem Genre mit Blick auf den Stil aufmerksam zu lesen. Was ist es, was diesen Stil ausmacht? Was gefällt mir daran und was nicht? Welcher Stil könnte zu mir als Autor oder Autorin passen? Und ist dieser Stil auch authentisch? Denn wenn er es nicht ist, dann werde ich ihn kaum über mehrere 100 Seiten durchhalten können.